Alle Kunst ist der Freude gewidmet, und es gibt keine höhere und keine ernsthaftere Aufgabe, als die Menschen zu beglücken. – Friedrich von Schiller
Die Kunst kann das Leben der Menschen tatsächlich auf vielerlei Arten bereichern: Wir können sie geniessen, erleben, uns von ihr inspirieren lassen oder uns einfach an ihr erfreuen. Das Verständnis der Kunst ist dabei nicht primär. Denn sie kann uns auch zum Nachdenken anregen. So können über die Fragen an das Kunstwerk, Fragen zu sich selbst aufkommen, zum Leben, darüber, was richtig und was falsch ist, es können Fragen sein, die leicht zu beantworten sind, aber auch Fragen, auf die man keine Antwort kennt oder gar welche, die keine Antworten verlangen. De facto handelt es sich um wichtige Emotionen, die durch Kunst hervorgerufen werden. Genau diese entscheiden letztlich darüber, welches Werk einen anspricht, in den Bann zieht, berührt, gefällt oder auch nicht. Das Spannende dabei ist, dass sich dies von Mensch zu Mensch unterscheidet und die Kunst so individuell macht, wie es die Menschen selbst sind.
Es gilt in unserer Ausstellung Werke unterschiedlicher Künstler zu entdecken, die pure Freude wecken oder zum Nachdenken anregen, womöglich sogar beides gleichzeitig schaffen. Die Natur beispielsweise wird häufig mit positiven Eigenschaften, wie etwa der Freiheit, assoziiert. So zeigt ein Aquarell von Theo Eble (1899–1974) einen Weg in Tessin, der geradewegs auf ein leuchtend grünes Feld hinführt. In Georges Grosz (1893–1959) „Landscape Cape Cod. House in the Dunes“ verliert man sich in einem blauen Himmel und einer hügeligen Landschaft mit einem einsamen Häuschen, ein Verweis auf den Eingriff oder aber die Einheit des Menschen mit der Natur. Bei Erich Heckel stehen die Menschen meist in der Harmonie mit der Natur, so wie in seinem Aquarell „Kahn mit Badenden“, dies gilt auch bei Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), auf dessen Gemälde sich ein Berghirte mit Ziegen in einer expressiven Landschaft wiederfindet und bei August Macke (1887–1914) erfreuen sich „Spielende Kinder im Grünen“ an der Natur. Währenddessen huldigen Darío Bassos (*1966) Aquarelle und übermalte Fotografien der Schönheit der Natur, ihrer formalen und farblichen Vielfältigkeit. Der Betrachter kann sich dabei an leuchtenden, kontrastreichen Farben und Formen erfreuen, die weniger die Realität wiedergeben, als vielmehr „eine Kombination von Detailaufnahmen und expressiver Verfremdung“ darstellen. Motive aus der Natur, insbesondere Blumen, rufen in der Tradition der Kunstgeschichte jedoch gleichermassen den Gedanken der Vergänglichkeit hervor: das memento mori. Hierzu zählt ebenfalls das Gemälde „Grosses Stilleben mit Feldblumen“ von Max Pfeiffer Watenphul (1896–1976).
Mit dem Thema der Vergänglichkeit wird der Betrachter verstärkt in Werken von Alfred Kubin (1877–1959) und Giovanni Manfredini (*1963) konfrontiert. Während Kubin, der „Meister der Illustration“, das Thema Tod mit symbolhaften Charakter wiedergibt und diesen als Sensenmann auf einem Baum hängend oder als Skelett, der einen Menschen auf den Armen trägt, personifiziert darstellt, widmet sich Manfredini dem Symbol des Kreuzes und der Darstellung Jesu. Meist stehen das Selbstbildnis und die Frage nach der eigenen Existenz im Mittelpunkt der Gemälde des Italieners. Auch die Künstler der Brücke hatten die Vergänglichkeit des Menschen häufig zum Thema, nicht zuletzt aufgrund der historischen Ereignisse ihrer Zeit. In einem Holzschnitt von 1919 zeigt Kirchner einen Kranken und auch Erich Heckel nutzt die selbe Drucktechnik für die Darstellung eines kranken Mädchens.
Demgegenüber stehen freudige und friedvolle Ereignisse, die bei Georg Baselitz (*1938) in „La Nuit mit Marie“ in einem tanzenden Paar zum Ausdruck kommen, bei Emil Nolde (1867–1956) im „Ringelrosentanz“ oder bei Kirchner in zahlreichen Darstellungen von Varieté, Theater und Tanz, so in einem der Hauptwerke der Ausstellung: „Artisten an Ringen (und Trapez)“ von 1923/28. Die nahezu andächtig wirkenden „Lesenden“ von George Grosz oder Erich Heckel laden zum Träumen ein.
Eine ganze Gruppe von Werken hat die „Figur“ zum Motiv, welche mehr oder weniger als „stilisierte Darstellung des menschlichen Körpers“ verstanden werden kann und formal gesehen bis in die ägyptische und griechische Antike zurückreicht. Meist wird die Figur als pars pro toto verstanden, es wird also der Vorstellungskraft des Betrachters überlassen, den Rest des Körpers zu ergänzen. Der Betrachter tritt bei den Werken von Jürgen Brodwolf (*1932) sehr menschenähnlichen lebensgrossen und überlebensgrossen Figuren gegenüber. Während die 1,50 m grosse „Bleifigur“ ohne Kopf und Arme trotz ihres Materials stark menschliche Züge aufweist, erinnern die „Figur von 1984“ und „Grosser Torso von 1987“ in ihren Holzkästen an Kokons. Die Reihe von „Pigmentfiguren“ des Künstlers, in der die Assoziation einer Silhouette des menschlichen Körpers hervorgerufen wird, hat etwas Zerbrechliches, sich Auflösendes. Und doch ist das Ziel des Schweizer Künstlers nicht das „Abbild des menschlichen Körpers“, vielmehr ist die Figur „von den Eigenschaften einer Tube geprägt“. Die beiden allansichtigen Plastiken „Islander, Green and Black Female“ und „Dignity“ von Alexander Archipenko (1887–1964) erwecken ebenfalls durch ihre „hoch-vertikal-gelängte Form“, die im oberen Bereich zum Teil Anlehnungen, an Arme und Kopf vorweisen, die Assoziation zum menschlichen Körper. Die Gestaltung ist dabei erheblich reduziert, die Formen sind stark abstrahiert, dennoch stellen die beiden Bronzen „stehende, totemartige, geschlossene, anthropomorphe Figuren“ dar, die „zwar stark abstrahiert, dennoch der menschlichen Gestalt verpflichtet [sind]. Es sind in beiden Fällen torsoartige, statuarische Gebilde, die Kult- und Götterstatuetten der frühen Kulturen ähneln, frontal ausgerichtet und majestätisch ragen sie hoch über einen kleinen Sockel (…)“.
In der Ausstellung sind auch Werke der Abstraktion zu entdecken, die den Betrachter etwa durch den Bildtitel, wie bei Max Ernsts (1891–1976) Gemälde „Les Jeunes et les Jeux twistent“, zu einer individuellen Assoziation einladen. Die kleinteiligen vielzähligen Strukturen mit Farbabstufungen von Blau zu Grün führen zu einer besonderen Lebendigkeit der Bildfläche, die ein reliefhaftes Erscheinungsbild suggeriert. Bei Pizzi Cannella (*1955) stösst man auf eine grundierte Leinwand mit einem scheinbar verlaufenden roten Punkt, der stark an eine Amphore erinnert. Andächtig begegnet man indes dem fünfteiligen Werk aus Blei auf Holz von Nunzio (*1954), der die dunkle Monochromie der Arbeit durch die Struktur von feinen Punkten durchbricht, die auf der glatten Fläche eine geschwungene Form bilden, während durch Licht und Schatten scheinbare Farbabwandlungen zustande kommen.
Wir möchten Sie in dieser Ausstellung gerne einladen, anhand unterschiedlicher Werke Ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Schweifen Sie ihren Gedanken nach, diese können trivial oder gar tiefgründig sein, oder erfreuen Sie sich einfach an Darstellungen der Natur, von Tieren und Menschen oder abstrakten Formen und Figuren und lassen Sie sich so auf eine Reise zu den schönen Dingen des Lebens mitnehmen.